Kindheit ohne Armut: Mir hätte die Kindergrundsicherung geholfen!
Ich nehme die Debatte zur Kindergrundsicherung persönlich. Denn ich bin selbst in Armut aufgewachsen. Und ich bin mir sicher: Sie hätte mir geholfen!
Wenn mir der Laptop kaputt geht, kriege ich Panik und möchte am liebsten eine Woche Nudeln mit Ketchup essen. Wenn ich jetzt mit Freunden ins Theater gehe, fühle ich mich immer noch fremd. Ich bin in Armut aufgewachsen und sie hängt mir immer noch nach. Mit dieser Erfahrung bin ich nicht alleine. Millionen Kinder machen sie bis heute.
Deswegen geht es in diesem, meinem ersten Blogbeitrag, um die Kindergrundsicherung. Denn ja, ich nehme diese Debatte persönlich. What doesn’t kill you makes you stronger - das stimmt hier nicht. Kinderarmut macht Kinder schwächer, nicht stärker. Genau das hat mich dazu bewegt, politisch aktiv zu werden: Armut abschaffen. Für ein würdevolles Leben sorgen. Beides gilt umso mehr für die Kinder der Ärmsten.
Ich habe selbst genug Fragen an das vorgeschlagene Konzept der Kindergrundsicherung. Ich habe meine Zweifel, dass 12 Milliarden Euro für eine armutsfeste Grundsicherung reichen. Dazu vielleicht ein andermal mehr. Doch die FDP stellt selbst diese Gelder in Frage. Christian Lindner will auf keinen Fall Reiche stärker besteuern oder Schulden machen. Dass Kinder in Armut weiter verzichten sollen, während andere mit dem Privatjet zwischen Hamburg und München pendeln, ist purer Hohn. Es ist an der Zeit, endlich die zur Kasse zu bitten, denen es auf dem Konto nicht mal auffallen wird. Dafür müssen Prioritäten gesetzt werden. Und bei den Prioritäten ziehen Kinder in Armut für die FDP nunmal den kürzeren.
Ich denke in diesen Tagen oft daran, wie es für mich war, in Armut aufzuwachsen.
Und ich bin mir sicher: Wenn es damals eine echte Kindergrundsicherung gegeben hätte: Das hätte wirklich einen Unterschied für mich gemacht.
Was die Kindergrundsicherung für mich geändert hätte:
Ich hätte mich gesünder ernährt. Denn dafür, dass Salatköpfe wenig Kalorien haben, sind sie ganz schön teuer. Armut bedeutet, aus der Not heraus jeden Cent umzudrehen und zu verzichten. Nicht auf die hippe Art im Prenzlauer Berg - sondern verzichten, weil man nunmal verzichten muss. Einer der letzten Auswege: Zur Tafel gehen. Solch große Not hatten wir zum Glück nur einige Male. Bei anderen ist das die Regel. Wir haben im Winter gesehen, wie maßlos überlastet die Tafeln sind - weil sich immer mehr Menschen den Einkauf nicht mehr leisten können. Es ist gut, dass es die Tafeln gibt. Aber die Regierung sollte dafür sorgen, dass es sie nicht mehr braucht.
Ich wäre unbeschwerter tanzen gegangen. Für meinen Tanzkurs, mein größtes Hobby in meiner Jugend, wurde nur die Hälfte der Kosten übernommen. Denn das Bildungs- und Teilhabe Paket übernimmt maximal 15 Euro im Monat. Die anderen 15 Euro im Monat mussten sich meine Mutter und ich an anderer Stelle absparen - beim Essen, beim Kino oder beim Friseur. Stellen für die wohlgemerkt auch schon viel zu wenig Geld vorgesehen war. Neue Hobbys auszuprobieren, war damit komplett ausgeschlossen.
Wer weiß schon, was ich heute an Interessen hätte, wäre ich nicht in Armut aufgewachsen. Auch für mein soziales Umfeld, meine Freundschaften hätte es einen Unterschied gemacht: Wenn alles anders gewesen wäre, hätte ich vielleicht häufiger mal mit ihnen ins Kino gehen können, hätte ein Instrument gelernt oder mich in einer Theatergruppe engagiert. Aber weil ich es eben nicht konnte, fällt es mir noch heute schwer, Zugang zu Kultur zu finden - so fremd fühlt es sich an.
Ich hätte weniger Sorgen gehabt. Jede kleinste extra Ausgabe kann bedeuten, dass das Geld am Ende des Monats nicht mehr reicht. Meine Mutter hat ihr Bestes gegeben, unsere Armut vor mir geheim zu halten. Aber ich wusste immer, was es bedeutet, wenn die Waschmaschine kaputt geht. Es bedeutet, dass meine Mutter irgendwo einsparen muss, obwohl das nicht mehr möglich ist. Diese ständigen Sorgen machen krank. Armut macht krank. Ich lebe schon seit 4 Jahren nicht mehr in Armut. Es wirkt immer noch nach, nicht nur wenn mein Laptop kaputt geht.
Gegen Armut hilft Geld!
Das, was ich hier beschreibe, ist kein Luxus. Das ist Teil einer normalen Jugend. Wer nichts hat, für den ist etwas mehr ein großer Unterschied. Ja, sorry liebe FDP, gegen Armut hilft nunmal mehr Geld.
Meine Kindheit frei von Armut wäre eine komplett andere gewesen. Ich werde es nicht mehr rausfinden, wie es gewesen wäre. Aber ich möchte, dass die 2 Millionen Kinder in Armut es herausfinden können. Genauso wie die Millionen Kinder, die in den nächsten Jahren in Armut hineingeboren werden.
Und deswegen nehme ich die Blockadehaltung der FDP auch persönlich. Vor allem bei einer Partei, die sich weiterhin für die Senkung von Reichensteuern statt für das Abschaffen von Kinderarmut einsetzt. Ich werde mich weiter stark machen für eine armutsfeste Kindergrundsicherung: Denn die 2 Millionen Kinder in Armut haben ein unbeschwerteres Aufwachsen als meins verdient.
Dass es Armut gibt, ist eine politische Entscheidung, kein Naturgesetz.
Ich glaube fest daran: Eine andere, eine sozialere Politik ist möglich. Eine Politik, von der die Vielen profitieren, nicht die Wenigen. Es lohnt sich, für sie einzutreten. In diesem Blog werde ich mich an der politischen Debatte beteiligen. Mal humorvoll, mal (wie heute) mit aktuellen Erfahrungen gespickt, mal erklärend. Lasst gerne ein Abo da!